Artikel: Krieg der Straßen[ Kolumne ]
14.10.2007  |   Klicks: 3712   |   Kommentare: 5   |   Autor: Beety
Krieg der Straßen
Ein jedes Mal, wenn ich eine größere Strecke mit dem Auto zurückzulegen habe, kann ich in einer Stunde mehr oder weniger Fahrtzeit mein Ziel erreichen. Der entscheidende Faktor dabei ist meine Fahrweise, wenn man die unkontrollierbaren Bedingungen wie beispielsweise einen Stau mal außen vor lässt. Nun scheint es sich so zu verhalten, dass mit dem Umdrehen des Schlüssels im Zündschloss etwas auf den Plan gerufen wird, das den Rest der Zeit nicht wirklich auffällig wird. Ich sitze in meinem Panzer – im übertragenen Sinn natürlich – und fahre in den Krieg.
Der Fuß steht aggressiv auf dem Gaspedal, ein Daumen liegt vorsorglich schon mal auf der Hupe und ich kommentiere den Verkehr, sobald es den ersten Anlass dazu gibt. Denn selbstredend bin ich der beste, dynamischste und vor allem vorausschauendste Fahrer unter allen hier. Mit scharfem Blick analysiere ich die vorherrschende Situation und reagiere angemessen: Bei zähem Verkehrsfluss versuche ich ein gleiches Tempo zu finden und nicht unnötig zu bremsen, ich beherrsche das Reißverschlussverfahren und das Prinzip „rechts-vor-links“, ich mache Platz, um Schnellere vorbeizulassen, und ich kann blinken! Zumindest, wenn es wichtig ist.

Und was ist mit dem Rest? Viele scheinen gar nicht zu wissen, dass sie zwei Augen und drei Spiegel zur Verkehrsbeobachtung haben. Denn sie fahren auf die Überholspur, einen Kilometer entfernt vom nächsten zu Überholenden, mit rasenden 100 Stundenkilometern versteht sich, und zwingen mich zu bremsen. Sehr zu meinem Missfallen. Also zunächst ein Aufschrei, gefolgt von Verwünschungen, eventuell gepaart mit Hupen oder sogar Aufblenden, wenn die Situation gefährlich war. Er wechselt die Spur, ich sitze knapp dahinter auf. Beim Vorbeifahren werfe ich ihm meinen tödlichsten Blick zu. Handelt es sich hierbei um ein Überholmanöver auf einer dreistreifigen Autobahn wird der 100-Stundenkilometer-Mensch übrigens selten auf die angemessene rechte Spur fahren, sondern als bewegliches Hindernis auf der Mitte verbleiben.

Natürlich droht auch Gefahr von hinten. Folgendes Szenario: Zweispurige Autobahn, Feierabendverkehr, man dümpelt mit knapp über 100 km/h gen Ziel, schnelleres Vorwärtskommen ist nicht möglich, da die Autobahn einfach voll ist. Dann taucht hinter einem ein überholbereites Fahrzeug auf, das der Ansicht ist, der Platz genau vor mir würde ihm zu einem wesentlich schnelleren Fortkommen verhelfen. Und danach dann der Platz davor, und dann davor und so weiter, das Prinzip leuchtet ein. So wurde auch schon etwa zwei Mal rechts und links ausgeschert, um die Lage vor mir abzuschätzen. Dann folgt der Entschluss, einem aufzufahren, um den Überholanspruch deutlich zu machen. Ich lasse bedrohlich die Bremslichter aufleuchten, doch der Bedränger gibt nicht auf. Entnervt lasse ich ihn vorbeifahren, betrachte eben beschriebenes Schauspiel nun noch einmal vor mir und fahre letztlich gleichzeitig mit ihm die Ausfahrt ab. Dabei breitestmöglich grinsend versteht sich.

Derlei Geschichten gibt es zuhauf und ich kann schon kaum mehr zählen wegen wie vieler Reißverschlussverfahren-Saboteure, Bei-rot-langsam-vor-mir-über-die-Straße-Laufer, Landstraßenschleicher, Linkskleber, Am-Berg-Überholer, Vor-grüner-Ampel-Einschläfer, Nicht-parken-Könner und Spontan-unvorhersehbare-Manöver-Bringer ich mich verbal regelrecht vergessen habe. Wichtig auch dabei zu beachten, dass man die Fenster geschlossen hat.

Aber man ist, wer man ist. Und auch schon zu Kindeszeiten bereitete es mir ein unsagbares Vergnügen, den bunten Ausführungen meines Vaters zu diversen Verkehrsteilnehmern zuzuhören während meine Mutter mit erschrockenem Blick auf mich versuchte, diesen zum Abbruch zu bewegen. Würde ich die zusätzliche Stunde Fahrtzeit wählen, wäre es mir schlicht zu langweilig und käme mir wie eine Ewigkeit vor. Immerhin habe ich es eingerichtet, Mitfahrneulinge vorzuwarnen und mich bei erklärten Gegnern des reich an ausgefallenen Worten und zügigen Fahrens zurückzuhalten. Zumindest die ersten fünf Minuten.
 
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5 Kommentare zu diesem Artikel
14.10.07, 21:24 Uhr #1 von Le_Chaud
Amen
14.10.07, 23:31 Uhr #2 von sharkle
ich könnts nicht besser darstellen.
15.10.07, 08:06 Uhr #3 von gugki
bremslicht beim auffahren bringt nix. mein fahrlehrer meinte immer, wenn einer zu dicht kommt, einfach handbremse ein bisschen ziehen, das wird er schon merken
15.10.07, 11:47 Uhr #4 von Sneaker
Das spricht auch mir aus der Seele. Bei zu dichtem Auffahren des Hintermanns betätige ich einfach die Warnblinkanlage - das wirkt. Sogar nachhaltig, denn die meisten merken dann auf einmal, dass sie sich falsch verhalten haben und halten mehr Abstand ein .
19.10.07, 07:49 Uhr #5 von Feili
Das entspricht exakt meiner täglichen Autofahrt, man mags kaum glauben...
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