Artikel: Es weihnachtet sehr, oder?[ Kolumne ]
18.12.2006  |   Klicks: 4734   |   Kommentare: 12   |   Autor: Sophisticated83
Es weihnachtet sehr, oder?
Als ich ein Kind war, durfte ich den Weihnachtsbaum immer erst an Heiligabend sehen und nicht durch das Schlüsselloch schauen, sonst streut das Christkind mir Asche in die Augen. Heute kaufe ich den Weihnachtsbaum selbst und die Geschichte mit der Asche hat sich als genauso erfunden erwiesen wie die vom Weihnachtsmann, der immer von einem schwulen Bekannten gespielt wurde - vielleicht rührt daher meine ambivalente Beziehung zu Weihnachtsmännern.
Der Zauber ist weg, der Konsum hat Einzug gehalten.
Je weiter es in den Dezember geht, desto mehr Menschen drücken sich in Fußgängerzonen mit Tüten von Douglas ("Schenk mir doch wieder mein Parfum, da musst du nicht lange überlegen") oder Engelhorn("Das sind aber schöne Socken, vielen Dank Schwiegermama").

Das Weihnachtsmärchen kann man mittlerweile mit Kreditkarte käuflich erwerben, frei nach dem Motto:
Eine Krawatte für den Herrn Vater - 29 Euro
Die Handtasche für die Liebste - 89 Euro
Den Sinn von Weihnachten verstehen - unbezahlbar

Dennoch rennen jährlich Tausende pünktlich zum 24. Dezember in die Kirchen, in feinen Zwirn und Pelz gehüllt und singen scheinheilig Tochter Zion einen Halbton zu tief. Warum dabei immer wieder aufgestanden, wahlweise gekniet und gebetet wird, verstehen ohnehin die wenigsten, so die Masse.
Aber es gehört eben dazu...

Genauso wie der obligatorische Weihnachtsbaum natürlich gekauft werden muss, Wham wieder bis zum Overkill im Radio läuft und alle sich geschmacklose, in allen Farben des Regenbogens aufblinkende Sterne ins Fenster hängen, sodass man glauben könnte, Deutschland stünde in Konkurenz zu Las Vegas.

Doch all das ist nicht Weihnachten, es kommt uns nur so vor, suggeriert durch die singende Klumm mit türkisfarbenen Einkaufstüten im Schlitten und dem Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt.

Weihnachten ist vielmehr ein Gefühl. Für die einen das Fest der Familie, für die anderen die Geburt Jesu. Doch für alle irgendwie etwas, das wir mehr oder weniger lieben, aber nicht wirklich begreifen, seit der Weihnachtsmann dann doch der schwule Freund war.

Wenn wir schon verlernt haben, mit glänzenden Augen vor dem Baum zu stehen und das Gefühl zu haben, vor Spannung zu platzen beim Anblick der Päckchen unter dem Baum, dann sollten wir es doch zumindest als Zeit der Besinnung nehmen. Besinnung zwischen Geschenkestress, Weihnachtsfeiern und dem Warten auf den ersten Schnee.
Die Besinnung auf uns, die Familie und auf den Zauber, der uns genommen wurde - der aber tief drin, wenn wir nur bereit sind zu suchen, immer noch vorhanden ist.

In diesem Sinne wünsche ich Euch eine besinnliche(!) Adventszeit und ein schönes Weihnachtsfest!
 
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12 Kommentare zu diesem Artikel
18.12.06, 20:25 Uhr #1 von angie123
das mit dem pelz klingt dann doch unheimlich stark nach oma irma und deren schwestern ute und ellen....du bist doch nicht mit mir verwandt, oder?
18.12.06, 22:17 Uhr #2 von balu_T
Hätte ja beinahe geschrieben klassisch sophisticated aber in dem Falle muss ich wohl eher sophisticated at its best schreiben, sehr gelungen und das mit so wenig worten da wird es ganz adventlich auch für die, die gar keinen Einkaufsstress haben weil sie den Advent der Diplomarbeit widmen.
19.12.06, 16:26 Uhr #3 von Sonnenschutz
Du wartest ernsthaft noch auf Schnee - aber vor Wham graut es mir auch schon. Bisher wurde ich zum Glück noch verschont...
19.12.06, 22:28 Uhr #4 von lillymarlen
hey,sehr schön gemacht,nach fast allen regeln der kunst geschrieben

und den nagel auf den kopf getroffen,meine mama kriegt die '25' von george michael,damit mal was anderes läuft
21.12.06, 13:27 Uhr #5 von Sportfreund

Das gleiche Weihnachtsgejammere wie jedes Jahr. Lasst euch mal was neues einfallen. Schade dass man nicht 0 Punkte vergeben kann.^^
21.12.06, 15:06 Uhr #6 von BenKling3
, ich finde auch Du hast das alles voll getroffen, ganau so läuft es bei den meisten ab, schade eigentlich

Aber Wham hab ich erst einmal gehört dieses Jahr, zum glück
21.12.06, 15:56 Uhr #7 von Lolly80
HI AC,
Gruß aus dem Amiland, wo sich die Nachbarschaft mit der Beleuchtung duelliert jenseits jeden Geschmacks ... schön kurz und knapp, aber jede Zielgruppe erwischt ...
23.12.06, 00:42 Uhr #8 von Sophisticated83
danke für die netten kommentare

merry xmas !

eure ann-carolin
23.12.06, 23:18 Uhr #9 von no_idea
"...Wham wieder bis zum Overkill im Radio läuft"

25.12.06, 22:10 Uhr #10 von Narr
Ich bin dafür das alte Weihnachten wieder aufleben zu lassen und das neue Weihnachten in Überflussday umzubenennen.
27.12.06, 12:10 Uhr #11 von sissy-jmc
super beschrieben...nur das sinmlose durchfressen von einem verwandten zu anderen hast du ausgelassen...
28.12.06, 18:57 Uhr #12 von Narr
Hier ist noch eine kleine Geschichte, die ich gefunden habe: http://www.hagzissa.de/blog.php?action=blog8
Ist eher eine Vorweihnachtsgeschichte...
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