Artikel: 10 Gebote für Erstis[ Kolumne ]
31.08.2006  |   Klicks: 4245   |   Kommentare: 24   |   Autor: Sophisticated83
10 Gebote für Erstis
Lieber Ersti, auf einmal ist sie da – die große Freiheit. Du fühlst Dich noch nicht frei? Das kommt sicher noch mit der Zeit, nur Geduld...
Womit wir schon beim Thema wären. Dinge, die Erstsemestler auf jeden Fall brauchen, sind Geduld, Orientierungsvermögen und einen allwissenden Blick.
Warum gerade diese Dinge? Nun, ich will es Dir mal versuchen so zu erklären:
In den nächsten Wochen wird eine Flut von Information, Wissen und neuen Menschen auf Dich einströmen. Aber Du wolltest es ja auch nicht anders.
Beim Durchforsten der Vorlesungsverzeichnisse, Wohnungsangebote, sämtlichen schwarzen Brettern dieser Welt und Seminarräumen brauchst Du diese drei Dinge – alles andere kommt von selbst.
Denn dort, wo Du herkommst, hast Du Dich ausgekannt, warst alter Hase im Geschäft; hier ist alles neu und ungewohnt.

Alma Mater (also Deine Dich mit Wissen nährende Bildungsanstalt) wird, wenn alles so läuft wie geplant, für die nächsten Jahre Dein zweites Zuhause sein (das erste Zuhause sind Studentenkneipen, WGs und natürlich der Schneckenhof).
Geduld sollte von Anfang an im Spiel sein, denn es gilt, sich an akademisches Chaos, Viertelstunden, Professorenwünsche - und witze und neue Kommilitonen zu gewöhnen.
Beim Wort Kommilitone fällt mir gerade noch etwas ein, der neue Sprachstil an der Uni wird Dir ziemlich schnell in Fleisch und Blut übergehen. Was früher Kollege oder Mitschüler, ist jetzt Kommilitone, was Kantine war ist von nun an die Mensa.
So wird Dir schon noch der ein oder andere neue Begriff begegnen, der anfangs herrlich elitär, später aber Bestandteil des eigenen Wortschatzes sein dürfte. Für solche Dinge braucht man Geduld.
Den allwissenden Blick sollte man generell immer in der Nähe von Dozenten aufsetzen, mit absoluter Ahnungslosigkeit den bestmöglichsten Ertrag zu erzielen ist unser aller Ziel – immerhin sind wir die Elite von morgen; ob wir es nun wollen oder nicht.

Ein weiterer wichtiger Tipp ist die Wahl der Menschen, die Dich von nun an umgeben. Wähle klug und mit Bedacht, denn Leute, die man im ersten Semester kennenlernt, wird man meist sein komplettes Studium nicht mehr los. Hier regiert das Gesetz der Vielfalt. Auf jeden Fall sollten Kommilitonen zu Deinem engeren Kreise gehören, die verschiedene Kriterien erfüllen.
Ganz wichtig ist jemand, der so aussieht, als könnte man mit ihm nachts um die Häuser ziehen, davon wird nämlich in Zukunft deine Abendgestaltung abhängig sein. Desweiteren jemand, der pedantisch alles mitschreibt, was der Dozent so wichtiges von sich gibt (unbedingt vorher Schriftproben einsehen...)
Außerdem sollte jemand unter Deinen neugewählten Freunden sein, der Networker ist, ergo: der Dir von irgendwoher alles besorgen kann. Solche Menschen sind unverzichtbar, ich spreche aus eigener Erfahrung.
Man sollte immer wissen, von wem man die Unterlagen, die man ja bestimmt noch irgendwo rumliegen hat, notfalls kopieren kann.
Kopieren – mein nächstes Stichwort. Wäre es nicht eine so stumpfsinnige Arbeit, ich würde es schon auf die Liste meiner Hobbies setzen können. Wenn der Student gerade nicht lernt, feiert oder schläft – dann kopiert er höchstwahrscheinlich! Mache Dich schnell mit diesem Gerät vertraut, er wird oft Dein Retter in der Not sein.

Hier noch eine Auflistung von Dingen, die Du für Dein neues Leben unbedingt beachten solltest:

1.)Egal was Du von nun an tust, du wirst stetig ein schlechtes Gewissen haben, weil Du eigentlich lernen solltest.

2.)Überlege Dir gut, ob Deine Eltern wirklich sehen sollten, dass Du zwischen einer Mischung aus angetrockneten Essensresten, Pizzakartons, Sperrmüllmöbeln und leeren Bierflaschen wohnst.

3.)Egal, was Du tust in Zukunft, die Ausrede „Ich bin doch Student“ hilft einem zu einem barrierefreien Leben.

4.)Schnorren ist nichts peinliches – Du bist ja Student – Am Ende des Geldes wird immer zu viel Monat übrig bleiben.

5.)Dein Magen wird sich an sehr seltsame Essenzeiten gewöhnen müssen, ebenso solltest Du Dich vom Gedanken verabschieden, dass man sich während seines Studiums gesund ernährt.

6.)Bier ist gesund – Du kannst Dich doch gesund ernähren – wenn Du willst.

7.)Deine Professoren haben immer recht. Stimme ihnen zu, bete sie an und baue einen kleinen aufklappbaren Schrein mit Bildern von Ihnen in Deinem Zimmer auf, den Du täglich mit kosmischen Formeln bemurmelst und frische Blumen davor legst.

8.)Alle Kommilitonen werden stets besser vorbereitet sein als Du, mehr wissen und die besseren Noten schreiben. Wenn Du nicht auf der Couch enden willst, dann stärke Dein Selbstbewusstsein.

9.)Studentenparties sind Pflichttermine, auch, wenn Du eigentlich lernen solltest. Hier kannst Du nochmal Deine zweite Kindheit in Verbindung mit übermäßigem Alkoholkonsum erleben und solltest diese Chance nutzen!

10.)Frage dich niemals „Warum mache ich das eigentlich?“ Du wirst keine Antwort bekommen – nie!


Letzen Endes gilt es natürlich noch zu klären, ob all diese Vorurteile, die man über das studentische Leben so hört, auch wirklich stimmen. Lass mich Dir sagen:
Nein, es ist noch viel schlimmer! Deshalb solltest Du versuchen, eine Koexistenz zu erschaffen, die stets bemüht ist, pünktlich zu lernen, vor der Deathline die Hausarbeit abzugeben, sich gesund zu ernähren, Alkohol und Zigaretten verschmäht und nicht zu oft zu feiert.
Solltest Du keine Erfahrung mit solchen schizophrenen Daseinsformen haben, würdest Du das Beste am Studentenleben verpassen. Denk immer daran, jetzt beginnt die Zeit, von der Du noch Deinen Enkeln erzählen kannst – wenn Du sie richtig nutzt und vor allem genießt!
Viel Spaß mit Deinem Studium wünscht

Sophisticated83
 
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24 Kommentare zu diesem Artikel
31.08.06, 18:32 Uhr #1 von Sonnenschutz
Bestens identifizieren kann ich mich mit Punkt (3). Denn "Ich bin Student!" wird die Standardausrede in allen Lebenslagen werden. Im Übrigen möchte ich noch anmerken, dass es in Mannheim keine akademische Viertelstunde gibt. Da lob ich mir dann den Muff der Heidelberger Ruperto Carola...
31.08.06, 18:32 Uhr #2 von thorstilein
Ich hasse das Wort "Kommilitone"

Ansonsten wieder coole Kolumne
31.08.06, 19:15 Uhr #3 von Lolly80
Schön gemacht, und durchaus aus für die kommenden BAler tauglich ...
31.08.06, 21:28 Uhr #4 von Keule
Ach, wenn ich das so les beneid ich fast n bissl die Erstsemster. Noch 2-3 Monate und mein Studium is rum.
Ich glaub ich mach noch n chiliges Zweitstudium.
31.08.06, 23:33 Uhr #5 von moonchild
Ich vermisse meine akademische Viertelstunde aus Marburg - auch nach einem Jahre bin ich hier irgendwie meistens zu spät...
01.09.06, 02:49 Uhr #6 von warfair
Oh doch, ich hab eine (wenn auch unbefriedigende) Antwort auf Punkt 10:

"Weil ich mich so entschieden habe." Klingt komisch, ist aber so.
01.09.06, 09:53 Uhr #7 von BenKling3
, die Kolumne gefällt mir

Meine persönlichen Highlights sind die Punkte 7 und 8, da fällt mir grad ein, ich muss noch frische Blumen holen...
Dieser Eintrag wurde 2 mal editiert, zuletzt 01.09.06, 09:53 Uhr
01.09.06, 10:42 Uhr #8 von Sonnenschutz
Ach ja, eines fällt mir gerade noch spontan ein: jeder Erstsemester wird diesen schwulen Begriff "Ersti" aufs tiefste verfluchen .
01.09.06, 16:57 Uhr #9 von Sophisticated83
@sonnenschutz: stimmt, ich kam mir damals auch vor, als hätte ich ne imaginäre schultüte auf dem arm, als alle ersti gesagt haben *hehe*
01.09.06, 18:05 Uhr #10 von Lolly80
@Sophi und Sonnenschutz: Wir an der BA sagen immer: Die Kleinen ...
02.09.06, 12:48 Uhr #11 von Mugs
Ist wirklich ne gelungene Kolumne!
Da ich sogenannter "Ersti" bin (das Wort ist echt furchtbar!)habe ich mir natürlich alle 10 Gebote verinnerlicht Besonders gut gefällt mir der Hinweis darauf, dass man Anfang nicht weiß wo einem der Kopf steht vor lauter Inos, denn genau so fühle ich mich im Moment.
02.09.06, 13:23 Uhr #12 von joch3n
das wichtigste ist die schizophrene Daseinsform.. hat man das mal raus, geht alles von alleine
03.09.06, 06:24 Uhr #13 von Philipp-
Mhm, da fehlt noch der Punkt studierst du Pädagogik(ausser NW und Mathe auf Gymi),soziales oder hast du tastächlich eínen Studiengang wo du lernen musst
Je nachdem, freue dich auf die Zeit oder verfluche sie
03.09.06, 21:12 Uhr #14 von BenKling3
@Philipp-

, mehr brauch ich zu der Anmerkung mit den Studiengängen nicht zu sagen...
Dieser Eintrag wurde 1 mal editiert, zuletzt 03.09.06, 21:12 Uhr
04.09.06, 00:05 Uhr #15 von Sophisticated83
@ben: meine vollste zustimmung, immerhin müssen wir pädagogen dann die verwöhnten bwl'ler kinder und jugendlichen wieder gerade biegen
04.09.06, 17:54 Uhr #16 von Kawakazee
Die Punkte sind wohl richtig... hättest du das nicht im WS 2003 oder so schreiben können?! Vielleicht wäre ich dann doch Metzger geworden, oder sowas in der Art!
Mal wieder eine gelungene Kolumne!
04.09.06, 21:30 Uhr #17 von kleineSemmel
...dazu fällt mit ein klassisches Sprüchle ein:

jesus war der erste Student:
er hatte lange Haare, wohnte noch bei seiner Mutter und vollbrachte zweimal im Jahr ein Wunder...
05.09.06, 12:10 Uhr #18 von DonMax
schönes Ding!

und wahr, einfach alles wahr!
05.09.06, 12:52 Uhr #19 von Morschel
net schlecht ^^ kommt gut hin *G*
05.09.06, 20:03 Uhr #20 von marielsd
bier ist gesund, ja schizophrene daseinsform wuahahaha hey, echt gut geworden!!!
06.09.06, 01:55 Uhr #21 von SodaF
gleich mal copy-ren, damit sich sie meinen Enkeln vorlesen kann!
06.09.06, 12:45 Uhr #22 von mythrandir
das bier gesund ist, weiß ich zum glück schon. Aber meiner schizophrenen Daseinsform muß noch gefeilt werden. Da ich da als Ersti noch lernen kann, fällt mir nur eines ein. Wo ist jetzt der Networker, der mir von dem jenigen der immer alles hat, das Buch Schiziphrenie für Dummies besorgt? Kann da garantiert noch was besorgen.
Gruß M
12.09.06, 00:00 Uhr #23 von michi344
noch ein 11. gebot:

nimm keinem nicht-ersti die letzte schneckenhofkarte weg, das könnte sonst noch böse folgen haben
04.12.06, 14:42 Uhr #24 von Canadafan
Oh wie recht du hast! Und wie schön, spannend, aufregend doch das erste Semester war. Keine Verflichtungen; keine Zeitnot weil alle anderen das Grundstudium doppelt so schnell machen wie du und wie laut Studienorndung angegeben ist, schließlich will ich ja noch feiern, faulenzen, kurz Student sein; und die Ausrede: "Ich bin Ersi ich weiß von nix hat noch funktioniert!" funktioniert später auch nicht mehr.
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