Artikel: Letzte Bestellung bitte![ Kolumne ]
02.03.2010  |   Klicks: 5454   |   Kommentare: 20   |   Autor: pdmax
Letzte Bestellung bitte!
Wie Mündigkeit und Selbstbestimmung des Bürgers an Relevanz verlieren.
Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten waren wir sowieso nie, keine Frage - und als deutscher Staatsbürger hat man in den letzten Jahren durchaus eine gewisse Leidensfähigkeit demonstriert, wenn es darum ging, Einschnitte in die persönliche Freiheit zu verkraften.

Vier Jahre nachdem wir uns und unser Land in der Hitze des Sommermärchens des Fussballs bejubelten steht nun der demokratisch-soziale Winter vor der Tür.
"Die Welt zu Gast bei Freunden" - kein Thema, was haben wir uns als weltoffen, gar nicht borniert und tolerant präsentiert, und die zitierte Welt war entzückt.
Seit 1. März ist es immer noch toll bei uns, nur ein Bier, das kannst Du Dir nach 22 Uhr bei der Reise durch unser schönes Land nicht mehr kaufen, lieber Gast.

Das die Regierung in bester Hehlermanier kriminelle Ware kauft, um noch kriminellere Landeskinder zu belangen beim Versuch, ihr sauer erspartes Geld vor dem maroden staatlichen Rentensystem zu retten, hat man in Deutschland vieler orts begrüßt, gar als Sieg über das Schweizer System gefeiert.
Dass Polit-Urgestein Schäuble den Datenschutz mit der Vorratsdatenspeicherung ad acta legte - kein Thema, wenn man von den wütenden Protesten der Piraten absieht, die aber bald nach der Bundestagswahl wegen fehlendem Tiefgang auf der rauen See in schwere Seenot gerieten.

Es ist wie immer in solchen Fällen der Streit um das schicke Wörtchen Prävention, der die Geister scheidet.
Jugendschutz, Gefahren- und Terrorabwehr - nicht umsonst werden Begriffe gewählt, gegen die der mündige Bürger ja eigentlich nicht protestieren kann, will er nicht egozentrisches Ekel an den Pranger gestellt werden.
Doch das dem Jugendschutz nun die Freiheit geopfert wird, sich nach 22 Uhr in Baden-Württemberg in Ladengeschäften ein Bier zu kaufen, ist des Guten definitiv zu viel.
Klar, nichts wird so heiß gegessen wie es gekocht wird, und schon bald wird man sich daran gewöhnt haben, seinen Alkoholbedarf zu planen und vorzeitig zu erstehen. Derartige erzieherische Maßnahemen haben ja beim Dosenpfand auch geklappt. Schon bald werden sich dann samstags an der Araltankstelle im Jungbusch tumultartige Szenen abspielen, wenn um 21:55 Uhr die letzen Bestellungen angenommen werden.

In Deutschland wird dieser Tage viel zu oft Politik gemacht wie die westliche Medizin an Krankheiten rangeht: man bekämpft Symptome, ohne den Ursachen auf den Grund zu gehen.
In diesem Fall ist es aber eigentlich noch viel schlimmer - denn die Ursachen kennen wahrscheinlich alle Entscheidungsträger.

Es wird für mündige Bürger kein Problem sein, auf ein Bier von der Tanke nachts zu verzichten, deswegen wandert niemand aus, und verdurstet ist auch noch keiner. Aber der zentralen Frage nach der Selbstverantwortung geht niemand nach. In Zeiten, in denen Koma- und Flatratesaufen zu salonfähigen Begriffen avancierten, galt es nur noch, die Jugend, da unbeherrscht, vor dem bösen Alkohol zu schützen.
Die Spelunken an der Ecke sind von diesem Verbot natürlich nicht betroffen, und so kann der auf dem Land gängigen Praxis weiter gefröhnt werden, den Jugendkreis vom Marktplatzbrunnen rein in die Stammtischkneipe zu verlagern. Irgendein pflichtbewusster Gastronom wird schon noch 52 Tequila oder türkischen Home-Made-Wodka unter dem Tresen haben, der die trockene Kehle nässt.

Frank Plasberg stellt seinen Polittalk Hart aber Fair unter das Motto "Wenn Politik Wirklichkeit trifft" - vielleicht sollte man unsere Politiker mal einladen, sich selbst ein Bild zu machen davon, was ihre Maßnahmen bringen.
So oder so, weiter unbehelligt bleiben die, die das Dilemma eigentlich zu verantworten haben. Die mündigen Bürger, die nachts nur mal schnell ein Bier von der Tanke wollen und die für die Erziehung der Jugend verantwortlich sind.

Aber einfacher als unbequeme Wahrheiten sind Generalverbote allemal.
Das klappt beo populistischen Themen hier schnell.
Alkohol nach 22 Uhr kann man ohne Probleme verbieten, Nazi-Aufmärsche von brauen Schwachköpfen zu Tausenden leider nicht.

Willkommen in Deutschland, zu Gast bei Freunden!
 
20 Kommentare zu diesem Artikel
02.03.10, 13:04 Uhr #1 von TimStone
LOL Deutschland

...mehr Schranken als Wege, mehr Mauern als Brücken...
02.03.10, 13:42 Uhr #2 von IceCube84
Das Alkoholverbot nach 22 Uhr mit der Meinungsfreiheit auf eine Stufe zu stellen, halte ich an der Stelle mal für leicht übertrieben

Allgemein.. Diese Maßnahme bringt unterm Strich wahrscheinlich rein gar nichts, da schlichtweg "vorsorglich" Biervorräte angelegt werden.
ODER, was ich eher bei der Aktion vermute... bringt es den Gastwirten deutliche Mehreinnahmen....

Freies Land... MIT (....) Einschränkungen........ ......
02.03.10, 14:54 Uhr #3 von Selbstfinder
Es lebe der Späti hier in Berlin!

Die Maßnahme wird vermutlich wirklich einen Mehrwert von Null haben, da sich der "Jugendkreis vom Marktplatzbrunnen rein in die Stammtischkneipe" verlagern wird, wie es hier so schön heißt.
02.03.10, 15:30 Uhr #4 von Xray
Als ob die Sauferei von der Uhrzeit abhängt...

Wie kommt denn ein Minderjähriger an harte Alkoholika?
Doch nur, weil die Verkäufer nicht genau hingucken, oder weil jemand Älteres halt was mitbringt.
Und was soll sich daran ändern, wenn man den Verkauf für alle ab 22:00 Uhr verbietet?

Immer diese sinnlose Symbolpolitik.
02.03.10, 17:22 Uhr #5 von KingKong
ich finde das nicht verkehrt. ist eigentlich eh verrückt dass alkohol so einfach für jeden zugänglich gemacht wird und der öffentliche konsum so krass tolleriert wird. ich bin sehr liberal eingestellt und finde dass alles erlaubt sein müsste und die selbstverantwortung viel größer geschrieben werden soll.

en größerer eingriff in die selbstverantwortung ist die präsentation und die allgegenwärtigkeit des alkohols. dieses wunderschön zur schau gestellte überangebot lässt niemanden, vorallem keine jugendlichen mehr rational handeln. wer bekommt den kein durscht wenn er an einer kühl beschlagenen flasche radler in der tanke vorbei läuft? alkohol ist eine droge! jeder der es nehmen soll, soll es tun. viel verrückter wie das verbot finde ich dass ich beim bäcker schon ein piccolo sekt kaufen kann. und zwar trinkfertig gekühlt nach dem motto: HEY, TOLL, ES IST DIENSTAG LASS UNS ANSTOßEN!!

ich finde es nicht übertrieben wenn man das ganze ein bisschen eindämmt. klar ist das nur ein erster kleiner schritt. und dies wird wahrscheinlich auch keine auswirklung haben.

ich würde ähnlich wie beim coffeeshopmodell mit marijuana in holland, hier in deutschland den alkohol regeln.

in bars und clubs selbstverständlich erlaubt. in ladengeschäften ein generelles verbot. ist es objektiv betrachtet nicht verrückt dass man an einer supermarktkasse neben den kaugummies den asbach und den kümmerling stehen sieht?

dafür könnte es aber extra alkoholgeschäfte geben. die öffnungszeiten für diese sollten wiederum FREI zu regeln sein
02.03.10, 17:51 Uhr #6 von baddo
absoluter schwachsinn dieser erlass...als würde es irgendetwas ändern!?

man sollte endlich anfangen sich um echte probleme in diesem land zu kümmern...

unglaublich.
02.03.10, 19:00 Uhr #7 von Pudi
Persönlich glaube ich, dass dieses Verbot zu wachsenden Bier-/Alkoholika-Vorräten im Party-Vorfeld führt ("sicher ist sicher" - stell lieber mal noch 2 Kästen mehr aufs Band), die dann noch schlimmere Räusche nach sich ziehen (was man schonmal da hat kann man ja auch trinken - ist ja schließlich auch von allen gemeinsam gekauft - bevor's schlecht wird ).
02.03.10, 19:03 Uhr #8 von Philipp-
king kong Mega falsch. Hab in einem land gelebt wo es genauso wahr und noxh viel sxhlimmer. Høhere preise und verbote führen zu exzessiverem konsum
02.03.10, 19:21 Uhr #9 von Alvin
@kingkong & philipp
in australien ist alkohol auch stark verteufelt zumidenst was jugendliche bzw werbung angeht, es darf nichtmal in clubs beworbene angebote, a la happy hour geben oder sonstiges was zum saufen anregt, alles personal das mit alkohol zu tun hat braucht besondere schulung (sogar türsteher die indirekt damit zu tun haben) und strafen wenn minderjährigen alkohol verkauft oder mitgebraucht wird sind sehr hoch so gabs fälle wo teilweise leuten nichtmal alkohol verkauft wurde wenn minderährige dabei waren, bzw sogar wo das kind mit der mutter auf dem parkplattz im auto gewartet hat (besonders aus angst vor den strafen)
alkohol ist darüberhinaus auch recht teuer
ebenfalls verboten, betrunkenen leuten alkohol zu verkaufen (selbst in diskos) sowie benötigen leute die lkohol verkaufen spezielle lizenzen sodass es alkohol nur in bottle shops oder bars, clubs etc gibt also nix mit supermarkt eben mal n bier holen...
fazit: keine jugendlichen die sich an der tanke betrinken, leute sind in der disko grossteils nicht ganz so abgeschossen wie hier (auch nicht immer ) dafür erwachsene die sich daheim umsomehr die kante geben und trotz hohen preisen sowie umständliches besorgen in bottle shops ist alkohol midnestens so selbstverständlich wie hier, wenn nicht sogar noch viel mehr getrunken wird, jedoch in ner anderen altersgruppe
02.03.10, 19:26 Uhr #10 von KingKong
Philipp- MEGA UNÜBERLEGT! eigentlich so unüberlegt dass ich gar nix mehr sagen brauch weil du meine argumente mit deinem post nur verstärkst! aber erstens wird hier das thema selbstkontrolle angegangen.... und zweitens ist es 1000 prozentig klar dass in deutschland und anderen ländern in denen alkohol selbstverständlich und günstig angeboten wird wie in irland, ungarn und tschechien VIEL MEHR GESOFFEN WIRD als in skandinavischen ländern in denen alk sehr teuer ist.
02.03.10, 20:45 Uhr #11 von Mister_Crac
"Höhere Preise führen zu exzessiverem Konsum"?

Vielleicht habe ich ja in BWL nicht so gut aufgepasst, aber je höher der Preis für ein Gut ist, desto weniger Leute können es sich leisten bzw. um so geringere Mengen können sich die Leute leisten.
02.03.10, 22:18 Uhr #12 von vivalibertad
Diese Grafik scheint die ökonomisch naheliegende Vermutung zu bestätigen, dass ein höherer Preis (Skandinavien) zu einem niedrigeren Konsum führt: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Alcohol_by_ Country.png
Allerdings steht auf einigen Seiten, dass die Skandinavier eher zum Besäufnis neigen, so ist z.B. laut dem Artikel "Binge Drinking" aus der englischen Wikipedia selbiges in Dänemark verbreiteter als in allen anderen europäischen Ländern. Der hohe Alkoholkonsum in Deutschland, Tschechien, Österreich oder auch südeuropäischen Ländern ist ja nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass Bier und Wein hierzulande auch gerne moderat, etwa zum Essen, konsumiert werden und nicht nur der Alkoholzufuhr, sondern vor allem dem Genuss dienen.

Im Übrigen sehe ich es wie Pudi - es wird vorher mehr Alkohol besorgt und dann wahrscheinlich erst recht leer gemacht. Naja, ich habe eh immer ein kühles Bier im Kühlschrank.
02.03.10, 22:42 Uhr #13 von Philipp-
Danke, ich ahbe schlicht dort gelebt und erlebt, jeder politiker der alk teuer machen will oder es verbieten will sollte dies auch tun.

1. Sie brennen sauviel schwarz, habe selten soviel uebles zeug bis zu 98 prozent mit kaffee usw getrunken

2. gerade die jungen trinken alles und jede plörre , zieht sich aber auch ins alter

3.Die mentalität ist , wenn ich trinke muss ich betrunken werden sonst ist es verschwendung, schick 100 norweger in ein pub 90 kriechen heraus(bestätigt das vorher, sie kennen schlicht nicht das absolut unschädliche und gemuetliche genussvole glass wein oder bierchen zum esssen)

4. es ist eben wie der große rote knopf denn man nciht drüücken soll, skandinavier selbst vor allem eben norweger(doppelt so teuer wie im rest) bestätigen dies gerne, es ist verboten also machen wir es erst recht, denn es reizt nunmal

5. der hohe preis bei einem genussmittel hat die leute noch nie wirklich abgehalten, weggegehen ist über die jahre schweineteuer geworden im vergleich und die leute zahlen es immer noch.
Ausserdem ja, der hohe Preis von 35 euro für die billigste flasche wodka,m macht diese zum erlebnis und zum zwang betrunken zu werden. Stell mal in Norwegen 5 Flaschen vodka auf den Tisch vor 5 Leute und sag die sind für umsonst, sie sind nach ein paar Stunden leer. Mach dies mal in Deutschland mit 5 euro vodka oder auch absolut und ich wette es bleiben 3 flaschen uebrig und keinen kuemmert es, da trinken nix besonderes ist und vodka jeder haben kann wann und wie er will
03.03.10, 00:36 Uhr #14 von Mister_Crac
Wenn die Leute aber vorher schon gesoffen haben (bevor der Alk so teuer wurde), und jetzt immer noch genau so saufen, tja was ist dann die Lösung?
03.03.10, 08:23 Uhr #15 von gugki
ich versteh das problem nicht. dass es in tanken nach 22 Uhr alk gibt, ist an sich schon bescheuert. genau wie die einstellung, dass ne tanke einen supermarkt ersetzt. die einzigen die wirklich drunter leiden werden, sind die pächter, weil man mit sprit nicht viel kohle verdient.
Wenn es wirklich so wäre, dass sich der "Jugendkreis vom Marktplatzbrunnen rein in die Stammtischkneipe" verlagert wäre das gut, weils dann kontrollierbar ist. Auch wenn nicht jeder Wirt dazu persönlich in der Lage ist.
Und ganz ehrlich: wer's nicht schafft von 6-22 Uhr sich Alk zu besorgen, soll ihn halt beim City Döner o.ä. kaufen oder Wasser saufen! Schön zu sehen, wie wichtig manchen die Spass-Alk Verbindung ist.
03.03.10, 10:11 Uhr #16 von achelm
Ein Hoch auf Berlin. Hier lacht man über Alkoholverbote, Sperrstunde und Co und winkt den Polizisten fröhlich zu während man über eine rote Ampel läuft, mit der Tüte im Mundwinkel
03.03.10, 11:08 Uhr #17 von Mr_Pink
Immer die gleiche Pro-Argumentation.

"Wer es nicht schafft vor ...", "Also man kann wohl auch mal auf Alk verzichten, oder ...", "Das betrifft doch nur Alkoholiker ..." - Schwachsinn

Es geht nicht darum, dass es extrem wichtig ist Alkohol, und vor allem kein "Spaß-Alk" , zu bekommen. Wichtig ist aber, dass mir einfach die Möglichkeit gegeben ist, etwas LEGALES zu erwerben, wenn mir danach ist. Was macht ein Schichtarbeiter, der erst nach 22 Uhr Feierabend hat? Sommerhitze in der Fabrikhalle, harte 8h Schicht, das Wochenende vor der Tür und heute ausnahmsweise mal richtig Bock auf ein eiskaltes Feierabendbier ...

Wie geht es dann weiter? Wie die Diskussion in den USA, bei der man versucht hat den Menschen fettiges Essen zu verbieten? Fernsehen nur noch bis 24 Uhr? Sex mit dem Partner nur noch zu Fortpflanzungszwecken, im Idealfall auch nur noch Sonntags, im Ehebett selbstverständlich?

03.03.10, 12:28 Uhr #18 von moe_83
hahaha geile idee..
03.03.10, 14:25 Uhr #19 von Danielh
...ich fahre einfach die 4 km nach Lampertheim (Hessen) rein und schon klappts wieder mit dem Biereinkauf
04.03.10, 09:30 Uhr #20 von kabey
Seltsam ist nur, dass die wenigsten Leute wirklich von dem Verbot wissen! Dabei ist es egal ob sie 16, 36 oder 56 sind. Jobbe abends bei der REWE. Da findet man ab 22.00 immer einen "Gesprächspartner", der obige Diskussion mit den Verkäufern führen will und wissen will, warum das jetzt so ist. Der Sinn des Verbots erschließt sich einfach keinem... Außer wohl den Amis und Asiate, die nehmen es als einzige einfach hin, dass sie dann kein Bier mehr bekommen, ohne Diskussion.
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